Hungern nach Leben

Womit hat es bloß angefangen?
Mit einer harmlosen dahingeworfenen Frage?
Eine Frage, wie etwa: „Hast Du zugenommen?“ oder „Bist du vielleicht schwanger?“
Oder mit der Verkäuferin, die nach der Größe fragt: „L oder doch lieber XL?“
Der Blick in den Spiegel wird skeptischer, die Silhouette stimmt nicht mehr, die eigene Wohnung wird zum Gefängnis.
Hauptsache die Toilette ist in der Nähe und die Apotheke für die vielen Abführmittel und Fatburnertabletten.
Seit vielen Jahren geht das jetzt so. Heruntergehungert auf 35 Kilo. Unzählige Therapien, Zwangsernährung und Klinikaufenthalte.
Der Spiegel als Feind, der mir mit einer hämischen Fratze das Wort „FETT!“ entgegenschleudert.
Die Zähne sind mir schon vor Jahren ausgefallen und ich trage eine eher hässliche Perücke. Passende Kleidung gibt es für mich nicht mehr. Freunde habe ich nicht.
Womit hat das bloß angefangen? Das Hungern, das Hungern nach Leben?
Ich lebe schon lange nicht mehr – meine Seele hat alles aufgefressen, was mich mal ausmachte.
Eine Frage noch: „XS oder Zero?“

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